Zürcher Filmpreis 2020
Eine jährlich wechselnde Fachjury trifft die Entscheidung über die Preisvergabe. Sie besteht aus drei Dreiergremien: Eine dreiköpfige Jury für den Kurzfilm, eine für den langen Dokumentarfilm und eine für den langen Spielfilm. In jeder der drei Kategorien gibt es eine Auszeichnung für den besten Film. Zusätzlich zeichnet jede Jury zwei besondere Leistungen aus, beispielsweise für Kamera, Musik, Drehbuch und weitere am Film beteiligte Personen.
Preise für den besten Film 2020
Zürcher Filmpreis für den besten Kurzfilm 2020
«Das Spiel»
von Roman Hodel, produziert von Ensemble Film GmbH
Begründung Jury:
Der Regisseur nutzt auf brillante Weise alle Werkzeuge des Films (Ton, Bild, Schnitt), um uns durch die intime und emotionale Erfahrung des Schiedsrichters die andere Seite eines Fußballspiels entdecken zu lassen. In nur fünfzehn Minuten zeigt uns der Film einen Menschen, der in einer komplexen, lauten und konfliktreichen Umgebung sein Bestes gibt. «Das Spiel» wird perfekt beherrscht und besticht durch seine Genauigkeit und Menschlichkeit – egal, ob man sich für Fussball interessiert oder nicht.
Zürcher Filmpreis 2020 für den besten Dokumentarfilm
«Nemesis»
von Thomas Imbach, produziert von Okofilm Productions
Begründung Jury:
Aus einem Fenster seines Ateliers dokumentiert der Filmemacher über mehrere Jahre den Abriss des historischen Güterbahnhofs und beobachtet, wie an dessen Stelle das Polizei- und Justizzentrums des Kantons Zürich hochgezogen wird. Bauarbeiter, Bagger, Polizeihunde, Teenager, die auf einen Kran steigen, ein küssendes Paar, Modeshootings und Kindergeburtstage – auf 35mm-Filmmaterial wird festgehalten, was vor der Linse passiert. Langsam bauen während des Essays Menschen in Orange die Zukunft; ein Gebäude, das die Normen der Hochsicherheit erfüllt. Der Regisseur verfolgt ein radikales Konzept mit präzisen Bildern, Zeitraffern, einem ruhigen Blick voller Poesie und Humor. Hervorragend ist auch das Sounddesign, das Menschen und Gegenständen Leben einhaucht und die weite Distanz zwischen Kamera und Baustelle auflöst.
Zürcher Filmpreis 2020 für den besten Spielfilm
«Schwesterlein»
von Stéphanie Chuat und Véronique Reymond, produziert von Vega Film
Begründung Jury:
Ein beeindruckender Film, der von Geschwisterliebe erzählt als universellem Bild für bedingungslose Liebe. Die beiden Regisseurinnen inszenieren die hervorragenden Schauspielerinnen und Schauspieler präzise in der Gefühlswelt ihrer Figuren. Wir sehen ihren Schmerz und ihre Verzweiflung. Daneben blitzen aber auch immer wieder Humor und Situationskomik auf – ganz wie im Leben. Nichts wirkt gespielt, alles ist echt und authentisch und man spürt: Diese Geschichte wird nicht erzählt, sondern findet statt. Bild, Ton und Szenerie sind perfekt aufeinander abgestimmt und schaffen die Bühne für dieses Drama, das Leben heisst.
Auszeichnungen 2020
Kategorie Kurzfilm
Aline Höchli
Auszeichnung mit dem Zürcher Filmpreis 2020 für das Character Design in «Warum Schnecken keine Beine haben»
Begründung Jury:
Wenn sich die Augenfühler der Schnecken im Wind wiegen, sich ihre Augäpfel mit einer feinen Bewegung nach unten rollen oder sich die Augenbrauen der Bürolisten-Bienen leicht verziehen, dann braucht es keine Worte mehr. Alles wird gesagt. Man spürt die Figuren, ihre Freude, ihr Entsetzen, ihren Energiepegel. Die Auszeichnung geht deshalb an Aline Höchli, die mit wenigen Zeichenstrichen umfassende Charaktere zum Leben erweckt und damit einen urkomischen Film voller subversivem Humor geschaffen hat.
Maja Gehrig
Auszeichnung mit dem Zürcher Filmpreis 2020 für die Regie in «Average Happiness»
Begründung Jury:
In Zeiten, in welchen Diagramme die Berichterstattung der Medien prägen und sich die Politik weltweit in Schaubildgrafiken manifestiert, verwandelt die Regisseurin in ihrem Film Statistiken in bunte Welten, Körper und Gegenstände. Sie zeigt in der von ihr gewählten Ästhetik eine originelle Handschrift für den Schweizer Animationsfilm. Insbesondere für ihre innovative Idee und Herangehensweise erhält Maja Gehrig diese Auszeichnung.
Kategorie Dokumentarfilm
Eliza Kubarska
Auszeichnung mit dem Zürcher Filmpreis 2020 für die Regie in «The Wall of Shadows»
Begründung Jury:
Der Film nimmt sein Publikum mit auf ein Abenteuer in eine kleine, unbekannte und unwirtliche Welt. Der Regisseurin Eliza Kubarska gelingt es, die Welt einer Sherpafamilie feinfühlig und in bildstarken Szenen zu erzählen. Sie beweist dabei ein besonderes Gespür für ihre Protagonistinnen und Protagonisten. Ihre Erzählweise gestaltet sie mit Leerstellen, die bei den Zuschauerinnen und Zuschauern Raum für eigene Gedanken lassen und sie so nur umso mehr in die Geschichte involvieren.
Tania Stöcklin
Auszeichnung mit dem Zürcher Filmpreis 2020 für die Montage in «Wer sind wir?»
Begründung Jury:
Wie gehen wir in unserer Gesellschaft mit Menschen mit Behinderung um? Grenzen wir aus, schliessen wir ein? Von dieser Gratwanderung erzählt der Film. Er tut dies auf eine Weise, die herausfordert und zum Nachdenken anregt. Die Montage von Tania Stöcklin setzt feinfühlig erzählerische Akzente und tariert die oft sehr private Welt der Familien mit den grossen und kleinen Alltagshürden in deren Umwelt aus. Die Editorin geht sehr klug mit Distanz und Nähe um. Der Film drifted nie ins Voyeuristische ab, da Stöcklin es schafft, uns in die Welt der Kinder und deren Umfeld einzubinden. Und so beginnen wir zu verstehen «wer sie sind».
Kategorie Spielfilm
Plinio Bachmann, Barbara Sommer, Micha Lewinsky
Auszeichnung mit dem Zürcher Filmpreis 2020 für das Drehbuch von «Moskau einfach!»
Begründung Jury:
Ein Vergnügen, eine so feine Komödie als Reminiszenz an ein wenig ruhmreiches Stück Schweizer Geschichte zu sehen. Die Auszeichnung geht an das Drehbuch, ist es doch die Grundlage dieses Werkes, das ein Feel-Good-Movie im allerbesten Sinne darstellt. Es gelingt dem Film, die Fichenaffäre so zu erzählen, dass sie nicht nur für Aussenstehende verständlich ist, sondern auch einen Bezug zur Gegenwart herstellt – zu Fake News und Populismus und zum stets akuten Problem der Diskriminierung. Ein klug geschriebener Film, in dem ein wunderbares Ensemble hervorragend in Szene gesetzt worden ist.
Regula Marthaler
Auszeichnung mit dem Zürcher Filmpreis 2020 für das Kostümbild in «Moskau einfach!»
Begründung Jury:
Je näher das Historische liegt, umso schwerer ist es, das Kostümbild zu gestalten. Meisterhaft gelungen ist dies Regula Marthaler in «Moskau einfach». Sie schöpft aus dem Vollen, ohne je zu übertreiben, vermeidet jede Künstlichkeit und gibt den Figuren der späten 1980er-Jahre ein natürliches Aussehen und persönlichen Stil. Alles ist bis ins Detail durchdacht, auch für Nebenrollen setzt sie feine Akzente z.B. eine schwarz-weiss karierte Krawatte als Hinweis auf die damals viel getragenen Kufiya (Arafat-Tuch).
Spezialerwähnung 2020
Rolando Colla und Marina Guerrini
Die Jury vergibt eine Spezialerwähnung an die Regie und Autorenschaft für ihre Erzählhaltung in «Quello que non sai di me».
Begründung Jury:
Ein Paradebeispiel für Diversität im Film. Menschen auf der Flucht, Frauenrollen, Secondas und Secondos: Alle kommen vor, weil sie eben vorkommen und die Gesellschaft wiederspiegeln, in der die Geschichte angesiedelt ist. Die Figuren werden ernst genommen – ohne einseitige Verurteilungen oder wohlfeile politische Stimmungsmache. Mit einer Spezialerwähnung für die ehrliche und zugleich zutiefst menschliche erzählerische Haltung von Autorenschaft und Regie möchte die Jury diese Leistung hervorheben.
Die Fachjury von 2020
Die Fachjury des Zürcher Filmpreises 2019 bestand aus je drei Personen pro Preiskategorie, also insgesamt neun Personen. Jury in der Kategorie «Bester Kurzfilm»: Stella Händler, Isabelle Favez, François Morisset. Jury in der Kategorie «Bester langer Dokumentarfilm»: Jacqueline Zünd, Katja Dringenberg, Jürg Neuenschwander. Jury in der Kategorie «Bester langer Spielfilm»: Simon Spiegel, Manuel Flurin Hendry, Viktoria Salcher.
Die eingereichten Filme 2020
Kategorie «Bester Kurzfilm»
Average Happines (Maja Gehrig/Langfilm)
Brüder – ein Familienfilm (Valentin Merz Tanören/Andrea Film)
Das Spiel (Roman Hodel/Ensemble Film)
Duodrom (Basil Vogt/Virage Productions)
Fensterlos (Samuel Flückiger/Aaron Film)
Imago (Remy Blaser/Tellfilm)
Lah gah (Cécile Brun/Virage Productions)
LOS (Sandro Zollinger, Roman Vital/Montezuma)
Menschen am Samstag (Jonas Ulrich/Dynamic Frame)
No promised Land (Raphael Bondy/Mira Film)
Rêver comme lui (Valentin Merz Tanören/Andrea Film)
Signs (Dustin Rees/Virage Productions)
The Lonely Orbit (Frederic Siegel, Benjamin Morard/marumaru)
Warum Schnecken keine Beine haben (Aline Höchli/Cinéma Copain)
Kategorie «Bester Dokumentarfilm»
5x5x5 (div./Langfilm)
Die Rückkehr der Wölfe (Thomas Horat/Settebello Film)
Miriam Goldschmidt – Erfinderin von Dazwischen (Christoph Schaefer, Janos Tedeschi/Cineworx Filmproduktion)
Nemesis (Thomas Imbach/Okofilm Productions)
NOT ME – A Journey with Not Vital (Pascal Hofmann/RECK Filmproduktion)
Saudi Runaway (Susanne Regina Meures/Christian Frei Filmproduktionen)
Shalom Allah (David Vogel/Dschoint Ventschr Filmproduktion)
The Wall of Shadows (Eliza Kubarska/TILT Production)
Volunteer (Lorenz Nufer, Anna Thommen/Sulaco Film)
Wer sind Wir? (Edgar Hagen/Cineworx Filmproduktion)
Who’s afraid of Alice Miller? (Daniel Howald/SwissDok)
Zürcher Tagebuch (Stefan Haupt/Fontana Film)
Kategorie «Bester Spielfilm»
Baghdad in My Shadow (Samir/Dschoint Ventschr Filmproduktion)
Bruno Manser (Niklaus Hilber/A Film Company)
Die fruchtbaren Jahre sind vorbei (Natascha Beller/Apéro Film)
Jagdzeit (Sabine Boss/Turnus Film)
Mare (Andrea Staka/Okofilm Productions)
Moskau einfach! (Micha Lewinsky/Langfilm)
Platzspitzbaby (Pierre Monnard/C-FILMS)
Quello che non sai di me (Rolando Colla/Peacock Film)
Schwesterlein (Stéphanie Chuat, Véronique Reymond/Vega Film)
Sekuritas (Carmen Stadler/ABRAKADABRA FILMS)